Mit Stolz trage ich an diesem Samstag meine schwarze Stoffhose, welche ich den Abend zuvor noch in Agona Swedru gekauft hatte. Die Hose hat nur 25 Cedis gekostet und einen Grund darauf stolz zu sein gibt es eigentlich nicht:
fünfundzwanzig Ghana Cedis sind umgerechnet 5 Euro und ist ein herunterhandelter Preis, den hoffentlich auch die Einheimischen bezahlen. In Ghana ist es nicht unüblich, dass der Preis an der Kleidung bzw. der Uhr des Käufers festgemacht wird. Ein Obruni (ein Weißer) bezahlt dann im Allgemeinen immer mehr.
25 Cedi, das ist auch der Preis, den ein Fischer der Lake Volta Region als einjährige „Miete“ für einen fünfjährigen Jungen an die zugehörige Familie zahlt. Dabei nutzen die Fischer diese Kinder als Arbeitskraft, um nach Netzen zu tauchen und diese auszubessern. Das kann der Leser unter Anderem im Buch die „Weisse Nana: mein Leben für Afrika“ von Bettina Landgrafe (auf den Seiten 189 und 213) nachlesen.
Hier stehe ich jetzt, mitten im Trubel einer Beerdigung in der Nähe von Asikuma, mit meiner schwarzen Hose und ich weiß nicht, ob ich je stolz über diese Hose und den Preis sein werde oder möchte.
Es ist laut und mir zu warm für eine lange Hose. Mein Kopf dröhnt.
Ich bin auf einer Beerdigung eines Bekannten der Gastfamilie meiner Mitfreiwilligen. Der Verstorbene war übrigens mehrmals Patient in unserer Einsatzstelle „Our Lady of Grace Hospital“ und zu Lebzeiten ein Forstarbeiter. So haben junge Leute am Tag der Beerdigung (wahrscheinlich seine Arbeitskollegen) ihm den „nötigen“ Respekt mithilfe von lärmenden Motorsägen (ohne Sägekette) gezollt. Der Lärm hat die ganze Zeremonie über genervt. Ich empfand es als sehr respektlos gegenüber dem Pastor, zu sehen, welche Freude die Kettensägenmenschen an dem Krach und der Störung der Predigt hatten.
Allgemein haben sich nur wenige Feiergäste für den Gottesdienst und für die trauernden oder nicht trauernden Familienangehörigen interessiert. Ich habe erfahren, dass das Essen, das Tanzen und alles Andere eine größere Rolle spielt und so waren wir bei der eigentlichen Beerdigung nicht mehr mit dabei.
Das Festessen wurde uns auf einem Plastikteller mitgegeben und dann Zuhause verspeist.
Ich bin gerade etwas von der Oberflächlichkeit genervt: Jeder fragt nach der Begrüßung mein Wohlbefinden ab und ich antworte schon ohne nachzudenken mit „I`m fine.“, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie es mir wirklich geht. Ich kann auch nicht jedem Menschen auf der Straße erklären, warum es mir gerade weniger gut oder schlecht geht.
Es strengt mich an und regt mich auf jedes Mal im Nachhinein darüber nachzudenken, ob ich mit der Antwort nicht doch eine Unwahrheit verbreitet habe.
In die Diskussionen meiner Arbeitskollegen über beispielsweise Glaube oder Politik komme ich aufgrund der Sprachbarrieren nicht wirklich rein; entweder wird der Diskurs auf Twi geführt oder die Themen wechseln so schnell, dass ich mit meinem Englisch einfach nicht hinterher komme.
Ich misse die Diskussionen in Deutschland und frage mich ob ich mich mit der hiesigen gefühlten Oberflächlichkeit zufriedenstellen kann.
Ich glaube ich sollte weniger mit deutschsprachigen Freiwilligen abhängen, mehr social networking betreiben und ghanaische Freunde finden. Wenn ich die ganze Zeit zum größten Teil Deutsch spreche, werde ich mein Englisch wohl kaum verbessern können. Doch wo finde ich Freunde, die nicht nur eine Freundschaft aufgrund meiner Hautfarbe wollen? Ist eine wirkliche Freundschaft in so einem Setup überhaupt möglich?
Diese Woche war ich auch noch (für sieben Cedi) in dem Pool eines Hotels in Agona Swedru schwimmen. Das hat mein Wohlbefinden für kurze Zeit auf den Höchststand befördert. 😉
Ergänzung zum Kleiderkauf: Man könnte sich freuen, dass Menschen hier ein gebrauchtes Kleidungsstück von victoria’s secret für 8 Cedis (also 1,60€) erwerben können. Schön, dass hier die Kleidung aus unseren Altkleidercontainern ankommt. (Buchtipp: Schwarzbuch Markenfirmen: Die Welt im Griff der Konzerne)
Wer sich für ein „Projekt gegen Kinderhandel am Voltasee“ einsetzen möchte, kann hier was spenden.
Dankeschön & Grüße
Ich kenne es aus dem Englischen bzw. Amerikanischen, dort ist die frage how are you einfach nur ne bedeutungslose Floskel die ausschlieslich NUR mit I’m fine beantwortet wird….ist eine art „Höfflichkeit“ und gehört zur „Smalltalk-Kultur“
Anmerkung: auch in geschäftlichen Mails oder Briefen wird oft nach Befinden und Familie und ähnlichem gefragt.
Also mach dir keinen zu großen Kopf über „Wahrheitsaussage“ 😉
Hey Mr. Blümelein,
cool das du dich hier auch nochmal zu Wort meldest. 🙂
Ich glaube in Ghana ist es mehr eine Mischung aus Höflichkeitsformel und eine ehrlich gemeinte Frage. Jeder ist hier bester Kumpel von jedem oder wäre es gerne, und damit wird die Frage manchmal auch aus einem freundschaftlichen Kontext gestellt.
Aber ja, ich musste mich erst mal dran gewöhnen.
Viele Grüße zu auch deiner neuen Heimat. 😉
Lieber Jakob, Grüße aus dem herbstlichen Dresden! Ich hab mich über das Wetter in Ghana belesen: Dort fängt die beste Zeit erst an! Interessant sind die Gepflogenheiten bei der Beerdigung. Andere Länder, andere Sitten….
Respektlosigkeit würde ich nicht unterstellen. Eher Lebenszugewandtheit. Betrachte die Sache mal anders herum…..
Wie ist es auf deiner Arbeit?
Hallo Frau Siegel,
ich habe mich über diesen Gedankengang sehr gefreut. Aus dieser Richtung kann ich das natürlich auch betrachten. 🙂
Ich arbeite gerade im Labor des Krankenhauses. Manchmal ist mir die Arbeit zu routiniert, also ich glaube ich werde später keinen Beruf im Labor ausführen.
Aber die Arbeitskollegen sind richtig nett und ich habe mich gut eingelebt.
Ich hoffe in Dresden ist alles in Ordnung.
Liebe Grüße aus Asikuma